Donnerstag, 23. Juni 2005
Apotheke
Es mag Menschen geben, die meinen Besuch beim Friseur unter den geschilderten Umständen moralisch bedenklich finden. Ich gebe Ihnen recht. Ich würde mich sogar versteigen zu behaupten ich bin in dieser Hinsicht völlig gewissenlos, denn ich verfolge einen ausgesprochen perfiden Plan. Meine einzige Entschuldigung sind die Zeiten. Diese sind insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht sehr hart. Der Plan besteht darin den Friseur mit kleinen Tierchen zu überschwemmen und mich anschließend mit einem Bauchladen davor aufzustellen um Mittel gegen Kopfjucken zu verkaufen. Ich rechne fest damit, dass mir der Friseurladen meine gesamten Bestände zu exorbitanten Preisen aufkauft. Ich werde garantiert reich. Vorher muss ich mich allerdings noch selbst befreien von den kleinen Blutsaugern mit Namen Pediculus capitis, bevor mir diese Viecher nicht nur Blut sondern auch noch die restlichen Teile meines Gehirn heraussaugen. Nun dachte ich in unseren Gefilden gehört die Verbreitung dieser unverschämten Art von Parasiten der Vergangenheit an. Wenn man sie findet dann höchstens noch bei Obdachlosen. Und ich kann mich nicht erinnern mit einem geschmust zu haben. Woher also habe ich diese Viecher? Ich kann hier nur spekulieren und habe insgeheim eben diesen meinen Friseur in Verdacht. Sollte schon vor mir jemand den gleichen Plan gehabt haben. Habe ich mich bei meinem letzten Besuch angesteckt? Vor jeder Unternehmensgründung sollte immer ein Geschäftsplan erstellt werden in dem unter anderem auch Wettbewerber genauer untersucht und Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet werden. Offenbar habe ich hier gepfuscht. Vielleicht existiert schon ein Gewerbezweig der Schutzgelder von Friseuren erpresst indem mit Blutsaugern gedroht wird.

Mein nächster Gang nach meinem Friseurbesuch ist also folgerichtig ein Apotheker. Ich brauche ein Mittel gegen Läuse. An Pillendrehern gibt es ja keinen Mangel. In meiner näheren Umgebung im Umkreis von 200 m gibt es allein fünf zur Auswahl. Tja die Drogensucht ist eben ein echtes Problem unserer Gesellschaft.
Da es mir etwas peinlich ist ein Läusemittel zu kaufen, werde ich als Ablenkungsmanöver noch ein paar Dinge extra erstehen in der Hoffnung, dass das Insektizid in der Masse nicht so auffällt. Ich betrete die Apotheke mit meiner Liste. Selbstverständlich ist Apotheke wie immer gut besucht, besser als jede Kirche. Haben die Menschen denn nichts anderes zu tun als beim Apotheker herumzulungern. Nachdem ich an der Reihe bin schaue ich mich um. Hinter mir hat sich ebenfalls eine lange Schlange gebildet. Die Geschäfte scheinen gut zu gehen. Es gibt jetzt kein zurück mehr.
„Womit kann ich Ihnen helfen?“, lächelt mich eine sympathisch aussehende junge Frau an.
„Ich möchte gerne ein ähh, …. mmfdlhhhmmm?“
„Wie bitte, was möchten Sie?“
Ich beuge mich über den Tresen und sage: „Ich gebe Ihnen die Liste hier, stellen sie bitte alles zusammen und verpacken sie es mir hübsch.“
Sie nimmt die Liste und geht in den hinteren Teil der Apotheke mit ihren etwa 3500 Schubladen um alles zu besorgen. Von weit hinten ruft sie: „Das Gleitmittel, ist ihnen egal welche Sorte? Auf Wasserbasis?“
„Ja, ist egal, ich habe mit allen gute Erfahrung gemacht!“
„Und die Präservative, möchten sie die extra starken, die auch bei Analverkehr nicht reißen?“
Ich nicke und hoffe das geht nicht so weiter. Inzwischen hat sich die Schlange hinter mir aufgelöst und ist näher zu mir aufgerückt. Alle schauen mich freudig erwartungsvoll an. Ich spüre wie mir langsam warm wird. Ich hätte das Mittel doch lieber unter Kaugummis und Taschentüchern verstecken sollen. Jetzt fehlt bloß noch ein Bekannter oder Nachbar und mein Ruf im Viertel ist ruiniert.
„Das Mittel gegen Läuse, soll das gegen Kopfläuse sein oder gegen Filzläuse?“
Himmelhergottnochmal, gibt es denn überhaupt keine Diskretion mehr in diesem Land. Was diese selbst entblößenden Talkshows so alles anrichten. Aber immerhin scheint urplötzlich das Interesse der anderen Kunden etwas nachgelassen zu haben. Ich habe plötzlich viel freien Raum um mich herum. Um nicht zu sagen ich bin der einzige Kunde weit und breit. Alle scheinen noch etwas zu erledigen zu haben. Es fallen Rufe wie: „Komme gleich noch mal wieder.“ „Muss noch schnell zum Bäcker bevor der zumacht.“ Oder ähnliches. Schisser die. Und ausnahmslos jeder scheint einem unwiderstehlichen Bedürfnis sich zu kratzen anheim zu fallen.
„Ahh, ich sehe gerade es ist egal beide könne mit dem gleichen Mittel behandelt werden. Goldgeist forte. Ein altbewährtes Mittel.“
Die Apothekerin bleibt, ich kann es ihr nicht verdenken, drei Meter vor mir stehen und schiebt mit einer langen Stange wie ihn Croupiers am Spieltisch verwenden, das Paket in meine Richtung und fragt, wie mir scheint, etwas ängstlich ob ich eine genauere Anweisung haben möchte wie das Mittel angewandt wird. Ich schüttele den Kopf und sehe wie sie zusammenzuckt, das Gesicht verzieht und vor mir nach Spuren kleiner Tierchen sucht.

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Dienstag, 21. Juni 2005
Haariges
Es wird wärmer. Meine Haare wurden vier Monate nicht mehr geschnitten und in meiner unmittelbaren Umgebung wurden Fragen laut, ob ich ein Vogelnest auf meinem Kopf beherbergen würde. Ich nehme das mal ob meines ähnlich der Wirtschaft stark rezessivierenden Haarwuchses als Kompliment, und erwäge, bevor sich die in meiner Wohngegend zahlreich vertretenen Tauben auf mir häuslich niederlassen, den unangenehmen Gang zum Friseur. Auf mein wahres Motiv komme ich später noch zu sprechen. Ich gehöre zu der Kategorie von Menschen, die keine Schwierigkeiten haben sich beim Zahnarzt einer Behandlung zu unterziehen. Bei einem Friseurbesuch leide ich allerdings echte Qualen. Das hat mehrere Gründe. Einer ist historisch bedingt. Als Kind schickte mich meine Mutter im zarten Alter von 6 Jahren zum ersten Mal allein zum Friseur. Ich wurde dort sehr nett begrüßt, von einer angenehmen Frau in einen Salon geleitet wo mir die Haare nach der damals top aktuellen Mode geschnitten und geföhnt wurden. Leider gab es offenbar eine kleine Verwirrung bezüglich meines Geschlechtes. Zwar war der Haarschnitt wirklich gelungen. Lästigerweise wurde meine feminine Ader durch den Frauenhaarschnitt übermäßig betont. Ich wurde von den Haarkünstlern äußerlich in ein Mädchen verwandelt. Meine Mutter war mit diesem ersten Schritt in Richtung Geschlechtsumwandlung nicht einverstanden und ich musste ein zweites Mal zum Friseur zum nachbessern. Wenn ich daran denke schießt mir immer noch die Röte ins Gesicht. Das zweite Mal das mir etwas ähnliches passiert ist, befand ich mich in der Pubertät. Ein Alter wie jeder weis indem Geschlechterrollen sich verfestigen, Mädchen sich ihre unnötigen BH’s ausstopfen und Jungs ihren drei Barthaaren Namen geben und sich einen breiteren Gang aneignen, weil ihnen ihre übermäßig wachsenden Gonaden im Weg sind. Auch hier nahm sich eine Dame meiner an. Damals ließ man sich noch einen Termin geben. Wir vereinbarten einen uns beiden genehmen Termin und die Dame verabschiedete sich mit den Worten: „Gut dann bis Montag, Frau XXXX“. Ich schaute mich um ob ein Namensvetter hinter mir stand, murmelte etwas unverständliches und verließ das Etablissement um danach geschlagene 20 Jahre einen großen Bogen um jeden Friseur zu machen. Nach diesem Erlebnis arbeitete ich stark an meinem Gang. John Wayne schien mir die richtige Wahl. Auch einen Theaterbart zog ich mangels natürlicher Masse in die engere Wahl. Noch heute lasse ich mir bevor ich zum Friseur gehe immer einen Dreitagebart stehen um Verwechselungen vorzubeugen. Der zweite Grund meiner Abneigung von Friseurbesuchen liegt in dem unersättlichen Wunsch der Friseure während der nervenaufreibenden schwierigen Prozedur des Haareschneidens Konversation machen zu wollen. Ich persönlich versuche meinem eigenen Anblick im Spiegel möglichst auszuweichen, die Augen zu schließen und leise entspannende Formeln vor mich hinmurmelnd die Schnibbelkünstler zur Eile anzutreiben und zu loben, sodass alles schnell vorüber geht. Noch vor wenigen Jahren habe ich um den Gang zum Friseur zu vermeiden mir entweder die Haare selbst geschnitten, oder Freundinnen gebeten dies zu tun. Mit unterschiedlichem Erfolg. Ich bin jedoch was meine Haarpracht angeht nicht besonders eitel, gehe modischen Erscheinungen aus dem Weg und habe die einfache Formel, alles fingerbreit lang und hinten kürzer. Ziemlich einfach. Es ist in den Jahren auch nur ein einziger Haarschnitt misslungen. Die Freundin hatte mich noch gewarnt, sie könne das einfach nicht. Ich habe diese Warnung in den Wind geschlagen und ich muss sagen, ich hätte ihr nicht widersprechen sollen. Sie hatte wirklich Recht. Ich habe danach ausgesehen wie Prinz Eisenherz in einer gerupften Version. Auf der Strasse habe ich dermaßen mitleidige ungläubige Blicke auf mich gezogen, dass ich mich zu einer Nachbehandlung entschlossen habe. Passanten waren immer kurz davor mir Geld zuzustecken um mir zu helfen. Nur die Angst vor Ansteckung mit einer gefährlichen Krankheit hat sie davon abgehalten. Selbst die Verursacherin mochte sich nicht mit mir auf der Strasse zeigen. Die Beziehung war zu dieser Zeit einer starken Belastungsprobe ausgesetzt.

Seit es diese „Cut and Go“ Friseure gibt bei denen man sich nicht mehr anmelden muss und die den Charme von Busbahnhofswartehallen haben, gehe ich wieder zum Friseur. Ich liebe es in der Masse unterzugehen, mich in die Schlange von wartenden Schafen einzureihen, die gleich geschoren werden und allenfalls eine Nummer sind. Herrlich. Unangenehmerweise wissen das noch nicht alle Angestellten. Manche bemühen sich während des Gemetzels eine persönliche Bindung mit ihrem Opfer einzugehen. So auch die etwa 19jährige an die ich das letzte Mal geraten bin. Ich sah sie einmal an und wusste, bei dieser Frisur, die sie sich selbst hat angedeihen lassen ist sie entweder in einer Selbstfindungs- oder Selbstverwirklichungsphase. Es würde schwierig werden ihr ihre Kunstfertigkeit auszureden und mir nur die Haare zu schneiden ohne dass Sie den Versuch startet mir ein neues Leben zu schenken. Während des einzig wirklich angenehmen Teils des Haarewaschens, hielt sie sich noch zurück. Ich versuchte die kalte harte Kante des Waschbeckens zu ignorieren, immer in der Angst in den folgenden drei Wochen meinen Hals mit einer dieser den Kopf stabilisierenden Halskrausen verbringen zu müssen, und genoss die Kopfmassage. Fünf Minuten später nachdem ich meine Anweisungen bezüglich des Schnittes, von dem ich sicher war, dass sie diese entweder komplett vergessen oder ignorieren würde, gegeben hatte, kannte ich ihre gesamte Lebensgeschichte, samt Lebensplanung für die nächsten zehn Jahre, vorgetragen mit Berliner Schnauze. Ein Albtraum wird wahr. Ein Stoppen ist unmöglich. Und ich hatte fahrlässigerweise meine Ohrstöpsel vergessen. So wurde ich informiert, dass ihr Mann „Mausi“,(Kosenamen aus dem Tierreich sind ja bei allen sehr beliebt), und sie bald ein Haus kaufen werden und dann zusammen ziehen werden. Vielleicht hatte Mausi ja Glück und sie verschoss ihr Tageswortkontingent immer schon während der Arbeitszeit. Aber das Wochenende. Der arme Mann. Ihr Ehrgeiz ging dahin bei einem Starfriseur zu arbeiten. Gleichzeitig hatte sie die durchaus gesunde Einstellung, dass diese Stars auch nur Menschen mit Haaren sind vor denen sie keinerlei Ehrfurcht kannte. Nachdem wir das geklärt hatten sah sie sich selbstverliebt im Spiegel an und informierte mich, dass sie schließlich auch ein kleiner Star sei. Ich versuchte freundlich aber nicht allzu ermunternd zu lächeln und schloss die Augen. Sie bat mich diese zu öffnen um mir ihr Werk vorzuführen. Dabei nahm sie einen Spiegel, legte mir die Hand auf den Kopf und sagte: „So sieht es ganz gut aus, nicht wahr?“. Nun muss man wissen, dass ich mir im Lauf der Jahre mühsam eine kleine Tonsur angeeignet habe, an die ich mich langsam versuche zu gewöhnen. Ich dachte immer das erste was Friseuren beigebracht wird ist ihren Opfern ein Kompliment im Hinblick auf ihre Haarpracht zu machen. In der Regel indem die Stärke oder Fülle der Haare übermäßig gelobt wird. Hierzu gehört unbedingt bei mittelalten Männern jegliche Referenz auf weiße oder fehlende Haare zu vermeiden. Nicht meine Peinigerin. Zuerst dachte ich an einen Irrtum und fragte: „ Was meinen Sie mit Soooo sie es Gaaanz gut aus?“ Wieder bedeckte sei mein Haupt mit ihrer Hand und sagt: „Na so“. Eine Rache? Habe ich ihr Werk oder Sie nicht genügend gewürdigt? Vielleicht ist mir trotz meiner konservativen Erziehung zwischendurch ein „Halt die Klappe“ rausgerutscht. Gemerkt habe ich es jedenfalls nicht. Nach der obligatorischen Frage, ob ich noch „was rein“ haben will und meiner Antwort ich sei mir nicht sicher ob ich meine Halbglatze wirklich mit Haargel einreiben soll, brauche ich dringend frische Luft.

Nun sollte ich aber zu meinem eigentlichen Grund für diesen Friseurbesuch kommen. Dieser war nicht so sehr der Ausschmückung meiner beeindruckenden Gesamterscheinung geschuldet sondern hatte einen medizinischen Hintergrund. Ich habe Läuse, Kopfläuse. Diese sind bei kurzen Haaren viel besser zu behandeln. Dazu mehr im folgenden Teil.

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Donnerstag, 16. Juni 2005
Radfahren
Die Sonnenstrahlen scheinen in unseren Breitengraden im Sommer nicht nur unsere geliebte wenn auch mancherorts arg gebeutelte Erde, die Luft, und das Wasser zu erwärmen sondern auch die Gemüter zum kochen zu bringen. Die Sonne versucht sich direkt in unsere Gehirne zu brennen und für vielfältige Verwirrung der Sinne zu sorgen. Vielleicht haben Hüte oder Kopftücher doch ihre Berechtigung und stellen nicht nur ein modisches oder religiöses Accessoire dar, sondern sind ein bedeutsames Element, welches das Leben in menschlichen Gemeinschaften erleichtert. Schließlich sind Kopfbedeckungen durch extrem weitsichtige Propheten über die allseits mehr oder weniger bekannten Regelwerke in die Gesellschaft eingeführt worden. Zugegeben die Spannbreite von der minimalistischen Kipa über den verführerischen Schleier zu angeberischem Tschador und Burka ist ziemlich groß, und Kopfbedeckungen können natürlich ebenfalls zu einer Überhitzung des Hauptes führen. Wo das Optimum zwischen Sonnenschutz und Kopfboiler liegt kann nur durch eine streng wissenschaftliche Untersuchung zu Tage gefördert werden. Dazu habe ich leider keine Zeit. Auch fehlen mir hierfür die akademischen Grade. Eigentlich hat das auch nur sehr entfernt mit dem Folgenden zu tun.

Besonders gut ist das Phänomen der Hirnerwärmung im Straßenverkehr zu beobachten. Ich fahre fast das ganze Jahr über Fahrrad. Sogar im Sommer. Obwohl das nicht unbedingt ratsam ist. Die Wahrscheinlichkeit von einem Auto angefahren zu werden ist in dieser Jahreszeit gigantisch. Das muss einfach an der Sonne liegen. Oder aber es tritt für Autofahrer eine Gewöhnungsphase ein, da so viele Fahrradfahrer unterwegs sind, dass einzelne nicht mehr auffallen. Der eine oder andere Überfahrene spielt bei der Masse ja dann auch keine Rolle mehr.

Die folgende Szene kann wirklich nur im Sommer stattfinden. Ich fahre auf meinem Fahrrad eine Hauptstrasse entlang. Ein Auto fährt mit beeindruckender Geschwindigkeit von rechts auf die Kreuzung zu und bremst mit quietschenden Reifen. Ich schaue gewissenhaft in das Cockpit des Raketengefährts um festzustellen ob ich gesehen werde. Wir nehmen Blickkontakt auf. Ich schaue freundlich. Er schaut grimmig. Alles in Ordnung. Ich fahre weiter, das Auto ebenfalls. Es beschleunigt um mich auch wirklich zu erwischen. Das gelingt so gut, dass ich hübsch drapiert die Motorhaube als Kühlerfigur verziere. Der Fahrer steigt entrüstet aus dem Auto schaut besorgt auf seinen Lack und schnauzt mich an: „Was soll das denn?“. Mein Gehirn vibriert noch ein wenig nach, da ich sowohl die Motorhaube als auch die Windschutzscheibe ausgiebigen Belastungstests mit meinem Schädel unterzogen habe. Auch führen diverse geringfügige wahrscheinlich ausgesprochen interessante chemische Veränderungen in meinem Körper zu Zitterbewegungen meiner Gliedmassen. Ein sehr interessanter Rhythmus. Eine schöne Basslinie dazu und es könnte ein Hit werden. Ich lasse mich langsam vom Auto gleiten und frage ob der Fahrer sich auch nicht verletzt hat. Jeder weis wie gefährlich diese Karambolagen zwischen Fahrrad und Auto für den Kraftfahrer sein können. Ein zarter Hinweis meinerseits ob dieses hübsche Vorfahrtsschild an dem ich gerade vorbei gefahren bin mir nicht das Recht einräumt als erster die Kreuzung zu entjungfern, führt dazu das der Fahrer sich bedrohlich vor mir aufbaut und mich missbilligend ansieht. „Und wieso haben sie kein Licht an ihrem Fahrrad?“ Ich blinzele in die Sonne und sage: „Tut mir leid, ich kann Sie nur schwer verstehen, die Musik ist so laut.“ Schließlich hatte ich noch keine Zeit meine Kopfhörer abzunehmen. Ich werfe einen Blick auf ein modernes Kunstwerk aus Rohren, dass die gleiche Farbe zu haben scheint wie mein Fahrrad. „Gut ich muss dann.“, sagt der Fahrer und macht sich auf den Weg. In einem Anfall von künstlerischer Inspiration erwäge ich kurz sein Auto gemäß eines Aktionskünstlers der Sechziger ebenfalls zu Kunst zu kloppen, entscheide mich dann die Sache auf profane geradezu schnöde und langweilige Art gütlich beizulegen.
„Das Fahrrad braucht eine Reparatur, fürchte ich.“
„Und was habe ich damit zu tun?“
Ich versuche mich im Marketing, wende mein ganzes Verkaufsgeschick an und biete mein Fahrrad zum Neupreis an. Meine Wenigkeit insbesondere die sich immer stärker bemerkbar machenden Blessuren, die meinem ohnehin schon sehr gebrauchten Körper nun noch zusätzlich belasten, glaube ich nicht mehr in finanziellen Gewinn umwidmen zu können. Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass das Fahrrad nicht mehr soviel wert ist, wie noch vor fünf Minuten, aber ein Gebot von 10 € für einen Kaffee scheint mir doch nicht angemessen. Ich warte noch ein wenig ob noch einer der zahlreichen Schaulustigen mit bietet. Immerhin handelt es sich hier um einen echten Karambolasche. Ich muss daran denken für diese Fälle immer ein eBay Logo mitzuführen. Ich versuche es mit einer neuen Verhandlungstaktik und bete beiläufig den von mir für diese Fälle auswendig gelernten Bußgeldkatalog her. Mit durchschlagendem Erfolg scheint es, denn der Fahrer holt seinen Werkzeugkoffer und bemüht sich redlich mit Hilfe eines Bunsenbrenners und einigem anderen schweren Gerät die Stangen in Fahrradform zu pressen. Ich bin nicht wirklich glücklich mit dem Ergebnis.

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